Low-Dose Naltrexon: Rezepturen & Einsatzmöglichkeiten

In diesem Blogbeitrag widmen wir uns einem spannenden Thema aus der Apothekenwelt: dem Off-Label-Einsatz von niedrig dosiertem Naltrexon (Low-Dose Naltrexon, LDN). Wir erklären, was Naltrexon ist, wie es über seine ursprünglichen Anwendungsbereiche hinaus verwendet werden kann und welche Rolle es in der pharmazeutischen Praxis spielt.

Was ist Naltrexon?

Naltrexon ist ein langwirksamer Opioidantagonist, der ursprünglich zur Behandlung von Alkohol- und Opioidabhängigkeit entwickelt wurde und dafür auch heute noch hauptsächlich eingesetzt wird. In den letzten Jahren wurde jedoch entdeckt, dass Naltrexon in niedrigen Dosierungen (Low-Dose Naltrexon, LDN) auch positive Effekte bei der Behandlung anderer Erkrankungen haben kann. Dies schließt insbesondere die Schmerztherapie sowie die Behandlung von Autoimmunerkrankungen mit ein, wodurch sich die Anwendungsmöglichkeiten deutlich erweitert haben.

Low-Dose Naltrexon: Ein Überblick

Low-Dose Naltrexon wird in Dosierungen von 0,5 mg bis 4,5 mg pro Tag verwendet.  Diese niedrigen Dosierungen unterscheiden sich in ihrem Einsatzgebieten und Effekten erheblich von den höheren Dosen, die in der Suchttherapie (Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 25 mg, gefolgt von 50 mg täglich als Erhaltungsdosis.) eingesetzt werden. In niedrigen Dosen, also als LDN hat es eine verkürzte Wirkung auf die Opioidrezeptoren im Körper, was unter anderem zu einer verbesserten Endorphinausschüttung führen kann. Dies ist besonders nützlich in der Schmerztherapie und könnte auch das Immunsystem positiv beeinflussen. In diesen Übersichtsarbeiten finden sich weitere Informationen:

Anwendungen von Low-Dose Naltrexon im Off-Label Use

LDN wird off-label zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt, darunter:

Studie: Younger J, Mackey S. „Fibromyalgia symptoms are reduced by low-dose naltrexone: a pilot study.“ Pain Medicine. 2009;10(4):663-672.

Fibromyalgia symptoms are reduced by low-dose naltrexone: a pilot study – PubMed (nih.gov)

Studie: Younger J, Noor N, McCue R, Mackey S. „Low-dose naltrexone for the treatment of fibromyalgia: findings of a small, randomized, double-blind, placebo-controlled, counterbalanced, crossover trial assessing daily pain levels.“ Arthritis & Rheumatism. 2013;65(2):529-538.

Low-dose naltrexone for the treatment of fibromyalgia: findings of a small, randomized, double-blind, placebo-controlled, counterbalanced, crossover trial assessing daily pain levels – PubMed (nih.gov)

Studie: Niedrig dosiertes Naltrexon zur Behandlung der Fibromyalgie: Vom Paradoxon eines Opioidantagonisten in der Schmerztherapie.Michael A. Überall und Silvia Maurer. Schmerzmedizin, 2023; 39(3): 46–49

Niedrig dosiertes Naltrexon zur Behandlung der Fibromyalgie – PMC (nih.gov)

Studie: Gironi M, Martinelli-Boneschi F, Sacerdote P, et al. „A pilot trial of low-dose naltrexone in primary progressive multiple sclerosis.“ Multiple Sclerosis. 2008;14(8):1076-1083.

A pilot trial of low-dose naltrexone in primary progressive multiple sclerosis – PubMed (nih.gov)

Studie: Cree BA, Kornyeyeva E, Goodin DS. „Pilot trial of low-dose naltrexone and quality of life in multiple sclerosis.“ Annals of Neurology. 2010;68(2):145-150.

Pilot trial of low-dose naltrexone and quality of life in multiple sclerosis – PubMed (nih.gov)

Studie:  Raknes G, Småbrekke L (2017) Low dose naltrexone in multiple sclerosis: Effects on medication use. A quasi-experimental study. PLOS ONE 12(11): e0187423.

Low dose naltrexone in multiple sclerosis: Effects on medication use. A quasi-experimental study

Studie: Smith JP, Stock H, Bingaman S, Mauger D, Rogosnitzky M, Zagon IS. „Low-dose naltrexone therapy improves active Crohn’s disease.“ American Journal of Gastroenterology. 2007;102(4):820-828.

Low-dose naltrexone therapy improves active Crohn’s disease – PubMed (nih.gov)

Studie: Smith JP, Bingaman SI, Ruggiero F, Mauger DT, Mukherjee A, McGovern CO. „Therapy with the opioid antagonist naltrexone promotes mucosal healing in active Crohn’s disease: a randomized placebo-controlled trial.“ Digestive Diseases and Sciences. 2011;56(7):2088-2097.

Therapy with the opioid antagonist naltrexone promotes mucosal healing in active Crohn’s disease: a randomized placebo-controlled trial – PubMed (nih.gov)

Raknes G, Småbrekke L. „Low-dose naltrexone in inflammatory bowel disease and irritable bowel syndrome – an overview of the evidence.“ Journal of Crohn’s and Colitis. 2017;11(Suppl 1)

Low dose naltrexone: side effects and efficacy in gastrointestinal disorders – PubMed (nih.gov)

Parker CE, Nguyen TM, Segal D, MacDonald JK, Chande N. Low dose naltrexone for induction of remission in Crohn’s disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 4. Art. No.: CD010410. 

Low dose naltrexone for induction of remission in Crohn’s disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 

Herstellung von Low-Dose Naltrexon-Rezepturen

In Deutschland gibt es keine Fertigarzneimittel mit solch niedrigen Dosierungen von Naltrexon (LDN), weshalb individuelle Rezepturen angefertigt werden müssen. Die gängigsten Darreichungsformen sind Kapseln und Lösungen. Alle diese Rezepturen sind verschreibungspflichtig und benötigen daher die Verordnung durch einen Arzt.

Kapselherstellung

Für die Kapselherstellung kann entweder die Naltrexon-Base oder das Hydrochlorid verwendet werden. Als Rezeptursubstanz ist derzeit nur Naltrexonhydrochlorid zu beziehen. Sollte vom Arzt oder der Ärztin die Base verordnet worden sein, gilt es hier zu klären, auf welche Wirkstoffform sich die Dosierung bezieht. Eventuell muss der Salz/Base-Faktor berücksichtig bzw. berechnet werden:

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Kapselfüllstoffe und Fertigarzneimittel

Kapselfüllstoffe wie mikrokristalline Cellulose oder Lactose-Monohydrat sind für Rezepturen mit Low-Dose-Naltrexon geeignet und spielen eine wichtige Rolle, um die Verarbeitung und Stabilität gewährleisten zu können.

Besonders bei hygroskopischen Substanzen wie Naltrexon ist der geeigente Kapselfüllstoff bedeutend.

Als Orientierung zur Auswahl des Kapselfüllstoffes kann ein Blick in die Zusammensetzung von Fertigarzneimittel hilfreich sein.

Folgende Fertigarzneimittel enthalten sowohl mikrokristalline Cellulose als auch Lactose-Monohydrat: 

  • ADEPEND 50 mg Filmtabletten
  • NALOREX 50 mg Filmtabletten
  • NALTREXON HCl aop 50 mg Filmtabletten
  • NALTREXON-HCl neuraxpharm 50 mg Filmtabletten
  • NALTREXONHYDROCHLORID Accord 50 mg Filmtabletten
  • NALTREXONHYDROCHLORID Carefarm 50 mg Filmtabletten

 

Es erscheint durchaus möglich, ein Fertigarzneimittel als Ausgangsstoff zu verwenden, da der hygroskopische Wirkstoff hier bereits verarbeitet ist und somit weniger zusätzliche Hilfsstoffe für die Herstellung erforderlich sind. Dies könnte in manchen Fällen vorteilhaft sein, jedoch sollte man berücksichtigen, dass die meisten verfügbaren Fertigarzneimittel Filmtabletten sind, was die Weiterverarbeitung zu Kapseln weniger ideal macht.

Mögliche Überlegungen von Rezepturvorschriften ohne bisherige Stabilitätsdaten:
Naltrexonhydrochlorid 0,5 mg - 4,5 mg Kapseln
Die schlüssigste Variante:

Naltrexonhydrochlorid 0,5 mg – 4,5 mg

DiluCap™ Hygro q.s.

Hypromellose-Kapsel Gr. 0

DiluCap™ Hygro findet Einsatz bei der Herstellung mit hygroskopischen oder zerfließenden Wirkstoffen. Durch die besondere Zusammensetzung kann es hygroskopische Effekte auf den Wirkstoff reduzieren und dadurch die Qualität des fertigen Arzneimittels optimieren.

Für die ideale Leistung des Hilfsstoffs in der Formulierung wird empfohlen, dass die verwendete Menge mindestens 50 %  des gefüllten Volumens der Kapsel ausmacht. 

Inhaltsstoffe DiluCap™ Hygro: 

  • Kolloidales Siliciumdioxid
  • Magnesiumstearat
  • Magnesiumsilikat
  • Mikrokristalline Cellulose
Informationsquellen zu DiluCap™:
Variante mit mikrokristalliner Cellulose

Naltrexonhydrochlorid 0,5 mg – 4,5 mg

Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.) q.s.

Hypromellose-Kapsel Gr. 0

Variante mit Lactose-Monohydrat

Naltrexonhydrochlorid 0,5 mg – 4,5 mg

Lactose-Monohydrat 99,5% hochdisperses Siliciumdioxid 0,5% q.s.

Hypromellose-Kapsel Gr. 0

Herstellmethode:

Volumetrische Methode oder Ergänzungsmethode (auch zur Validierung geeignet!), bei erneuter Herstellung kann dann anschließend die gravimetrische Herstellmethode gewählt werden.

Flüssige Zubereitungen

Flüssige Zubereitungen von Naltrexon bieten den Vorteil einer einfachen Dosierungsanpassung, was besonders bei der einschleichenden Therapie von Vorteil ist. Ein Möglichkeit für eine solche Zubereitung wäre:

Naltrexonhydrochlorid 1 mg/ml Suspension

Naltrexonhydrochlorid 1 mg/ml in SyrSpend® SF PH4

SyrSpend® SF PH4 Flüssig  (Kirscharoma), SyrSpend® SF PH4 NEO oder SyrSpend® SF PH4 Pulver kann hier verarbeitet werden.

Aromatisierung

Aufgrund des sehr bitteren Geschmacks* von Naltrexon(-HCL) ist es ratsam, die flüssigen Zubereitungen mit Aromen zu versehen.

*Trissel, L. A., Trissel’s stability of compounded formulations, 6th ed., American Pharmacists Association, Washington 2018.

Geeignete Geschmacksrichtungen sind Kirsch-, Schokolade-, Grapefruit-, Lakritz-, Erdbeer-,
Pfirsich-, Himbeer- und Tutti-Frutti, wobei SyrSpend® SF auch geschmacksmaskierende Eigenschaften besitzt. Die enthaltene modifizierte Maisstärke und Sucralose, tragen auch dazu bei, den Geschmack zu überdecken. Hier scheint es sinnvoll zu sein auf SyrSpend® SF PH4 flüssig mit Kirscharoma zurückzugreifen. 

Folgender Hinweis kann hier den SyrSpend® SF FAQ´s entnommen werden: 

Weitere Rezepturvorschriften

Naltrexon 1 mg/ml Lösung

Naltrexon                                      0,10 g

Ascorbinsäure                             0,50 g

Natriumbenzoat                          0,10 g 

Glycerol 85 %                             20,00 ml

Gereinigtes Wasser           ad 100,00 ml

Internationale Vorschrift: Naltrexone 1-mg/mL Oral Liquid- International Journal of Pharmaceutical Compounding; Edmond Bd. 10, Ausg. 6,  (Nov/Dec 2006): 459.

Herstellempfehlung

  1. Berechnen Sie die benötigte Menge aller Bestandteile für die Gesamtmenge, die hergestellt werden soll.
  2. Wiegen und/oder messen Sie alle Bestandteil genau ab.
  3. Mischen Sie das Naltrexon, die Ascorbinsäure und das Natriumbenzoat und zerkleinern Sie alles zu einem feinen Pulver. (Am besten in einer Glasfantaschale)
  4. Fügen Sie das Glycerol 85% als Anreibemittel hinzu und mischen alles zu einer glatten Paste.
  5. Geben Sie das gereinigte Wasser schrittweise hinzu, bis das gewünschte Volumen erreicht ist, und mischen Sie alles gut.
  6. Abfüllung und Etikettierung.
 
Stabilität: „Wenn die Zubereitung aus Tabletten hergestellt wird, kann ein Verwendbarkeitsdatum von 90 Tagen im Kühlschrank oder bei Raumtemperatur angesetzt werden. Wird die Zubereitung aus Pulver hergestellt, kann ein Verwendbarkeitsdatum von 90 Tagen im Kühlschrank oder 60 Tagen bei Raumtemperatur verwendet werden.“
 
Eine höhere Naltrexon Konzentrationen wäre auch denkbar, wie auch der Einsatz von Naltrexonhydrochlorid. Hier kann als Quelle bzw. Hilfestellung das Online DAC/NRF genutzt werden:  Naltrexonhydrochlorid-Lösung 5mg/mL

Lagerung und Haltbarkeit der Rezepturen

Die hergestellten Kapseln und Lösungen sollten idealerweise im Kühlschrank gelagert werden. Dies kann ihre Stabilität deutlich erhöhen. Kapseln sind in der Regel bis zu drei Monate haltbar, während Lösungen, abhängig von der Lagerung, bis zu drei Monate im Kühlschrank und lediglich zwei Monate bei Raumtemperatur haltbar sind. Suspensionen, welche auf SyrSpend® SF PH4 basieren sind auch bei Raumtemperatur bis zu drei Monate haltbar.

Passendes Packmittel

Für die Kapseln sollten am besten Cellulose (Hypromellose) Kapseln der Größe 0 verwendet werden, und es sollte eine luftdichte Kapselbox gewählt werden

Für flüssige Zubereitungen eignen sich Medizin- bzw. Braunglasflaschen GL28 mit einem Steckeinsatz. Sehr kleine Dosen können am besten mit Hilfe von Oralspritzen (5 ml/ 1 ml Skalierung) oder Kolbendosierpipetten (1 ml/ 0,05 ml Skalierung) abgemessen und appliziert werden.

Fazit

Low-Dose Naltrexon bietet interessante therapeutische Möglichkeiten, insbesondere in der Schmerztherapie und bei Autoimmunerkrankungen. Durch die Herstellung individueller Rezepturen können diese Therapien optimal auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden. 

Haftungsausschluss:

Bitte beachten Sie, dass die oben aufgeführten Rezepturbeispiele lediglich theoretische Überlegungen sind, welche als Hilfestellung bei der Recherche für die Plausibilitätsprüfung dienen sollen. Da jede Rezeptur bzw. Plausibilitätsprüfung immer durch einen Apotheker oder eine Apothekerin freigegeben werden muss, liegt es in der Verantwortung des/der jeweiligen Apothekers/Apothekerin zu entscheiden, ob die Rezeptur sinnvoll bzw. plausibel ist. Somit liegt die Verantwortung allein beim verantwortlichen Apotheker oder bei der verantwortlichen Apothekerin. Die Firma Fagron GmbH übernimmt keinerlei Haftung.

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